Zwei Frauen

Mira & Marlène

Mira Lobe & Marlène Jobert

Ein Gespräch auf der Buchmesse

/ von Marc Vanpeperstraete

Am Montag, den 10. November 2019 hatten zwei Frauen die Gelegenheit, sich auf der Messe „Buch Wien“ in Österreich zu treffen. Es sind die berühmte Kinderbuchautorin Mira Lobe, die jetzt 90 Jahre alt ist, und die talentierte französische Kindergeschichtenerzählerin Marlène Jobert, die 79 Jahre ist. Sie waren beide am Kinderliteraturstand anwesend.

Frau Jobert hat mehrere Bücher von Frau Lobe gelesen. Sie war beeindruckt und glücklich, sie zum ersten Mal zu treffen. Sie wollte mehr über ihr Leben erfahren und darüber, wie sie so erfolgreich geworden war. Beide Frauen sprechen ihre eigene Sprache, Mira Lobe Deutsch und Marlène Jobert Französisch. Zum besseren Verständnis ist ein Dolmetscher anwesend. Die Transkription auf Deutsch wurde vereinheitlicht.

Marlène Jobert: Hallo Mira, was für eine Freude, Sie kennenzulernen! Ich habe viel über Sie gehört, vor allem hier in Österreich! Ich würde Sie gerne kennen lernen. Könnten Sie damit beginnen, ein wenig über sich selbst zu sprechen? Woher kommen Sie, was haben Sie studiert?

Mira Lobe: Hallo, Marlène! Es ist uns eine gemeinsame Freude! Ich wurde am 17. September 1913 in Görlitz in Schlesien geboren. Ich stamme aus einer recht wohlhabenden jüdischen Familie. Ich habe 1933 meinen Abschluss gemacht. Ich wollte Deutsch und Kunstgeschichte studieren, aber mit dem Ersten Weltkrieg konnte ich das nicht! Also machte ich eine Ausbildung als Strickerin an der Berliner Modeschule.

Sind Sie nach Ihrem Studium in Deutschland geblieben?

Leider nein! 1936 emigrierte ich mit meiner Schwester und meiner Mutter nach Palästina. Dort begann ich mich für den Sozialismus zu interessieren! Das war sehr wichtig für mich! Wie Sie vielleicht wissen, wollte ich mit meinen Ideen ein neues, gerechteres Land aufbauen! Dort lernte ich meinen Mann Friedrich kennen. Er war Schauspieler und Regisseur. Nachdem wir verheiratet waren, hatte ich zwei Kinder: Claudia und Rheinhardt.

Super! Und wann haben Sie begonnen, Ihre ersten Bücher zu schreiben?

Ich denke, dass ich schon immer ein Talent für das Schreiben und die Literatur hatte! Ich erinnere mich, als ich 12 Jahre alt war, musste ich eine Geschichte für meinen Deutschlehrer schreiben. Er dachte, dass ich geschummelt hatte! Und dass ich es nicht selbst geschrieben hatte! Da habe ich mich entschieden, weiterzumachen.

Und das war nur der Anfang! Ihre Bücher, insgesamt 100, sind weltberühmte Erfolge!

Ja, ich hätte nie gedacht, dass sie in fast alle europäischen Sprachen übersetzt werden würden! Ich bin fest davon überzeugt, dass die Themen meiner Bücher wie soziales Engagement oder das Verstehen von Ausländern heute wichtige Werte sind! Als ich 1950 in Wien ankam, war dies nicht der Fall, und es war schwer, meinen Platz zu finden …

Haben Sie am Ende Erfolg gehabt?

Ich glaube schon! Ich war bis 1956 politisch in der Kommunistischen Partei engagiert. Dann musste ich aus politischen Gründen zurücktreten. Allerdings habe ich mich immer noch bemüht, meine Bücher zu veröffentlichen! Danach schrieb ich meine bekanntesten Bücher wie „Das kleine Ich bin ich“ (1972), „Valerie und die Gute-Nacht-Schaukel“ (1981) und „Die Omama im Apfelbaum“ (1965).

„Ich war sehr spontan und eine sehr instinktive Schauspielerin. Ich war wie ein kleines Tier.“

So beantwortete Mira Lobe die Fragen von Marlène Jobert. Zwischen den beiden Frauen begann sich eine Freundschaft zu entwickeln. Danach beschloss Frau Lobe, die Rollen umzukehren. Sie stellte ihrerseits einige Fragen über das Leben von Frau Jobert.

Marlène, Ich habe Ihnen meine Geschichte erzählt, erzählen Sie mir Ihre!

Natürlich Mira! Ich wurde am 4. November 1940 in Algier geboren. Ich habe in Frankreich Schauspiel studiert und wurde in den 70er Jahren Schauspielerin. Heute verstehe ich, warum es mir gefallen hat! Ich war sehr spontan und eine sehr instinktive Schauspielerin. Ich war wie ein kleines Tier! Ich habe mit vielen großen französischen Schauspielern wie Yves Montand oder Jean-Paul Belmondo gespielt.

Ich wusste zuerst nicht, dass Sie Schauspielerin sind! Hat Ihnen Ihre Arbeit gefallen?

Ich mochte diesen Job nicht sehr … Eigentlich war ich froh, die Schauspielerei aufzugeben, ich fühlte zu viel Druck. Ich hatte immer Angst, die Menschen, die mich liebten, zu enttäuschen! Außerdem hatte ich eine echte Leidenschaft für das Schreiben entdeckt!

Ich kann Sie verstehen!

Von nun an versuche ich, wenn ich meine Bücher schreibe, Botschaften zu vermitteln, die faszinieren und rühren. Was mir an Kindern gefällt, ist, dass sie nicht lügen! Wenn sie nicht interessiert sind, sagen sie es einfach.

Und warum haben Sie sich entschieden, nur Kinderbücher zu schreiben?

Wie Sie möchte ich den Kindern die wahren Werte vermitteln! Diejenigen, die es uns ermöglichen, ein wenig besser und in Frieden zu leben. Ich verstehe, was ihnen gefällt. Und ich möchte ihnen auch gefallen! Kinder mögen die Spannung, das Lachen und Abenteurer! Es ist die Magie der Vorstellungskraft, die sie haben. Ich möchte den Mut hervorheben und dennoch den Kindern erklären, dass das Leben schwierig sein kann!

Ja … Trotzdem haben Sie weltweit 15 Millionen Kinderbücher verkauft! Sind Sie sich dieses Erfolgs bewusst?

Überhaupt nicht! Sehen Sie, auch heute gibt es viele Menschen, die uns besuchen, Sie und ich! Sie sind nett, warmherzig und freuen sich, uns zu sehen. Ich glaube, Sie teilen dieses Gefühl auch! Es ist eine Arbeit, bei der wir viele Leute treffen können, in allen Ländern. Wir inspirieren sie, um unsere Geschichten zu schreiben …

Genau! Marlène, ich danke Ihnen für das Beantworten meiner Fragen. Es war eine wahre Freude, mit Ihnen zu sprechen und Sie kennen zu lernen!

Es war mir eine ebenso große Freude, Mira! Bis bald!

Mira Lobe
MIra Lobe, ca. 1990, CC 4.0, Wikimedia Commons, User Relo1947

Mira Lobe (1913–1995) wurde 1913 in Görlitz in Schlesien geboren. Dass sie Talent zum Schreiben hatte, zeigte sich schon an ihren Schulaufsätzen. Sie wollte studieren und Journalistin werden, was ihr als Jüdin im nationalsozialistischen Deutschland verwehrt wurde. Daher lernte sie Maschinenstrickerin an der Berliner Modeschule. 1936 flüchtete sie nach Palästina. Dort heiratete sie den Schauspieler Friedrich Lobe, mit dem sie zwei Kinder hatte. Ab 1950 lebte sie in Wien, wo sie am 6.2.1995 starb. Mira Lobe hat fast 100 Kinder- und Jugendbücher geschrieben, für viele von ihnen hat sie Preise und Auszeichnungen erhalten.

Marléne Jobert
Marlène Jobert 2012, CC 3.0 Wikimedia Commons, User Siren-Com

Marlène Jobert (*1940) ist eine französische Schauspielerin, die am 4. November 1940 geboren wurde. Sie studierte am Konservatorium von Dijon und zog dann nach Paris, um Schauspiel und Kunst zu studieren. Sie wird Schauspielerin und spielt in etwa dreißig Filmen mit. Ihren letzten Film drehte sie 1989 im Kino: „Les Cigognes n’en font qu’à leur tête“. Sie beendet ihre Schauspielkarriere, um Geschichten für Kinder zu schreiben, die sie auf CDs und in Büchern festhält. Die Schulgemeinschaft ermutigt sie in ihrem Ansatz, und drei Kindergärten in Frankreich sind nach ihr benannt.

Editorische Notiz:

Zwei Frauen ist ein Literaturprojekt: Alle Texte hier sind fiktiv.

Die Texte orientieren sich an faktischen, historischen Gegebenheiten, um die Persönlichkeiten vorzustellen. Dennoch erheben sie weder journalistische noch wissenschaftliche Ansprüche der Gründlichkeit, sondern erlauben sich literarische Freiheit.

→ mehr über das Projekt