Bertha & Hapsa
Bertha Pappenheim & Hapsa Khan
Zwei ungeschriebene Briefe
/ von Hemin Shwan
Beide Frauen sind Teil des Beginns einer Frauenbewegung in der Welt, die später Feminismus genannt werden wird. Durch diese Bewegung versuchten Aktivistinnen in verschiedenen Ländern Frauen Rechte zu sichern, etwa das Recht auf Arbeit oder das Wahlrecht. Frau Bertha Pappenheim und Frau Hapsa Khan sind Beispiele für diese Aktivistinnen. Damals war die Kommunikation nicht so wie heute. Wir stellen uns vor, dass die beiden Frauen sich kennenlernten und einander Briefe schrieben.
Wien, Österreich, 1. April 1935
Sehr geehrte Frau Khan,
ich hoffe, dieser Brief erreicht Sie gut.
Ich habe gehört, dass Sie sich für Frauenfragen in Ihrer Region engagieren. Ich würde sagen, dass mich das glücklich gemacht hat.
Ich versuche, eine Organisation für Frauen zu gründen. Ich weiß, dass es nicht leicht sein wird, aber das ist der einzige Weg, um zusammenzuarbeiten und gemeinsam stark zu sein. Ich würde gerne mehr über die Situation dort erfahren, welche Art von Probleme Frauen in Ihrem Land haben?
Bitte schreiben Sie mir zurück und lassen Sie uns in Kontakt bleiben. Vielleicht können wir uns eines Tages treffen.
Mit freundlichen Grüßen
Bertha Pappenheim
Autonome Region Kurdistan, Irak, 15. Juni 1935
Sehr geehrte Frau Pappenheim,
ich freue mich sehr über Ihren Brief und darüber, Sie kennenzulernen.
Ich stimme Ihnen zu, Frauen müssen zusammenhalten und was wäre besser als eine Organisation, die Frauen an einen Tisch bringt.
Das Problem hier ist, dass Frauen nicht ermutigt werden, zur Schule zu gehen. Aus diesem Grund muss ich Familien davon überzeugen, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Also habe ich bereits eine Schule für Frauen eingerichtet, aber das reicht nicht aus: Ich versuche, die Perspektive der Gesellschaft zu verändern. Leicht ist es sicher nicht, aber wir machen weiter.
Ich freue mich auf Ihren nächsten Brief, bis dahin wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer!
Hapsa Khan
Bertha Pappenheim (1859–1936) war eine österreichisch-deutsche Frauenrechtlerin, soziale Pionierin und Gründerin des Jüdischen Frauenbundes. Geboren in Wien als dritte Tochter, ihr Vater stammte aus Bratislava, ihre Mutter aus Frankfurt/Main. Mit 19 Jahren übersiedelte sie zusammen mit ihrer Mutter nach Frankfurt/Main. Auf dem Kongress des International Council of Women 1904 in Berlin wurde die Gründung eines nationalen jüdischen Frauenbundes beschlossen und Pappenheim wurde zur ersten Vorsitzenden gewählt. Diese Tätigkeit übte sie bis zu ihrem Tod aus. Sie wurde neben ihrer Mutter auf dem Frankfurter Friedhof (Alter Jüdischer Friedhof) beerdigt.
Hapsa Khan (1891–1953) ware eine frühe kurdische feministische und nationalistische Führerin. Geboren in Sulaymaniyah in der kurdischen Region im Irak, gründete sie mit der Kurdischen Frauenvereinigung die erste Frauenorganisation im Irak. Das Haus von Hapsa Khan wurde zu einem Zentrum für kurdische Frauenrechte. 1926 gründete sie die erste Frauenschule im Irak. 1930 schrieb sie einen Brief an den League of Nations, in dem sie um Unterstützung für die Rechte des kurdischen Volks bat. Mit 62 Jahren starb Khan. Ihr Haus wurde nach ihrem Wunsch zu einer Schule.
Editorische Notiz:
Zwei Frauen ist ein Literaturprojekt: Alle Texte hier sind fiktiv.
Die Texte orientieren sich an faktischen, historischen Gegebenheiten, um die Persönlichkeiten vorzustellen. Dennoch erheben sie weder journalistische noch wissenschaftliche Ansprüche der Gründlichkeit, sondern erlauben sich literarische Freiheit.